11.06.15
Vergangenes Wochenende habe ich es
endlich geschafft, nochmals nach Tari zu gehen, um an der dortigen Secondary
School ein wenig auszuhelfen. Eigentlich war ja die Idee, dass ich ab Februar
dort hätte unterrichten sollen – und im Zuge mich auch um die Fortbildung der
naturwissenschaftlichen Lehrer hätte kümmern sollen, aber dann fielen ja
zeitgleich die beiden Schwestern aus, die im Büro der Diözese gearbeitet
hatten, und so blieb ich ja dann auf Bitten des Bischofs doch in Mendi,
versprach aber, mir dennoch einmal die ganzen „Science-labs“ anzuschauen.
…und deshalb fuhr ich am Donnerstag
für ein langes Wochenende (am Montag war offizieller Feiertag – Queen’s
birthday) nach Tari.
Die Tari Secondary School hat ca. 700
Schüler (für die Lehrerinnen und Lehrer und Genderverfechterinnen und
Genderverfechter unter uns: Schülerinnen und Schüler ;-) ) in jeweils vier
Klassen pro Klassenstufe und die Stufen sind 9 bis 12. Ein kurzer
mathematischer Exkurs zeigt uns, dass dann im Schnitt 175 Schüler pro
Klassenstufe und damit knapp 44 Schüler in einer Klasse sind…
Diese Secondary School ist eine
private Schule; Träger ist die Diözese.
20.06.15
…und genau dort wurde ich unterbrochen
und nun sind es schon wieder 9 Tage später…
Zurück zur TSS (Tari Secondary
School):
Die Schulleitung hatte mich wiederholt
gebeten, doch zumindest für ein paar Tage in Tari vorbeizuschauen, wenn schon
nicht, um selbst zu unterrichten, dann wenigstens, um das ganze
Experimentierzubehör, dass die Schule hat, zu sichten und den Lehrern zu
erklären, was sie damit anfangen können. Es ist nämlich so, dass die Regierung
offensichtlich JEDER Secondary School Zubehör für den „Science“-Bereich schickt
– ungefragt. ANSICH ist das ja bestimmt eine großartige Idee, in der Praxis
allerdings viel „‘rausg’schmiss’nes Geld“ (wie die Schwäbin in mir sagen
würde), denn leider gibt es außer einem Lehrplan (ein DINA4-Heft) und einem
„Teachers Guide“ keinerlei Materialien, um zu erklären, was mit all diesen
Dingen zu tun sei.
Ich wusste überhaupt nicht, was mich
erwartet, mir wurde nur angekündigt, es würden Kisten mit Experimentierzubehör
auf mich warten. In meiner (immer noch nicht verflogenen ;-) ) Naivität habe
ich mir irgendwie vorgestellt, schöne Experimentierkästen vorzufinden –
womöglich noch mit Anleitung (oder so), doch dass mit „Kisten“ wirklich riesige
Transportkisten gemeint waren, die nur mit einem LKW transportiert werden
könnten, hätte ich mir nicht im Traum vorgestellt. Doch genau so war’s! Als
mich der Schulleiter in Mendi abholte, wurde er von einem LKW begleitet – und
wie sich herausstellte, sollte der die verbliebenen zwei Kisten transportieren.
Nun ja. Angekommen in Tari stellte ich
fest, dass die Leiterin der „Science“-Abteilung auch Chefin der Küche war – ich
sag’s ja immer: die Chemiker sind gute Köche – im Labor und auch außerhalb! :-)
Als ich dann das Labor inspizierte,
stellte ich fest, dass allerlei Gerätschaften und Chemikalien vorrätig waren
und ich fand außerdem, dass die Bedingungen in diesem Labor (ein
Laborunterrichtsraum) nicht so waren, dass ich da gerne unterrichtet hätte –
also SO, wie es war, nicht; wenn man ein paar Dinge geändert hätte (die Hygiene
z.B.) wäre das kein Problem gewesen.
Wie auch immer: Kein laufendes Wasser,
Strom nur abends, wenn der Generator angeschaltet wird, kein Abzug, nicht
geputzte Tische, eine nicht geputzte Tafel, ein Eimer mit allerlei ekligen
Dingen drin, unbeschriftete Chemikalienflaschen, nicht weggeräumte Chemikalien
und vor allem auch unsachgemäß gelagerte Chemikalien waren meine
hauptsächlichen Beanstandungen.
Dann habe ich mir mal ein Bild über
all das verschafft, was bereits in einer vorigen Lieferung geliefert wurde.
Dabei habe ich einerseits festgestellt, dass nicht viel davon je benutzt wurde
– und andererseits festgestellt, dass es das eine oder andere Gerät gab, von
dem ich absolut keine Ahnung hatte, was man damit wohl am besten anstellen sollte
(und es gibt dort sehr viele Dinge, die ich zwar kenne, bei denen sich mir aber
überhaupt nicht erschließt, was eine Schule damit anfangen soll; diese Meinung
hat sich auch nicht geändert, nachdem ich mir dann am nächsten Tag mal die
Lehrpläne Chemie und Biologie angeschaut hatte – Physik habe ich ausgelassen,
denn die stellvertretende Schulleiterin ist eine indische Schwester, Physikerin
und eine tolle Powerfrau, die hat sich selbst viel dort zusammengesucht und
erarbeitet, die brauchte meine Hilfe nicht, mit der hätte ich im Gegenzug aber
ganz gerne zusammengearbeitet ;-) ).
Am nächsten Tag haben wir dann
zusammen die beiden neuen Kisten ausgepackt und haben versucht, alles zu
kategorisieren und zu schauen, für welchen Fachbereich was gedacht war.
Manche Dinge, die da ausgepackt
wurden, sind wirklich klasse und absolut didaktisch wertvoll. Ein Beispiel wäre
eine kleine manuelle Zentrifuge (mit Kurbel): genial, um das Prinzip der
Zentrifugation anschaulich zu erklären und wirklich ausreichend für die Lehre.
Andere Dinge sind im höchsten Maße unpraktisch, überflüssig und manchmal sogar
richtiggehend gefährlich. Ich war zwischendurch kurzzeitig vor einem
Herzstillstand: beim Auspacken kam mir eine kleine Glas(!)flasche in die Hände
– und darin: Quecksilber. Ohne irgendeine Art von Schutz (innerhalb oder
außerhalb oder sonstwo) oder Hinweis auf die Gefahr. Unnötig zu sagen, dass die
mitgelieferten Thermometer natürlich auch Quecksilberthermometer waren und dass
auch das Natrium entsprechend überhaupt nicht sicherheitsverpackt geliefert
wurde. Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhh!!!!
Wer packt diese Kisten – und wer gibt
diese in Auftrag – und WER MACHT SICH DARÜBER GEDANKEN??? Ich war und bin
wirklich unzufrieden, denn das kostet die Regierung hier sicherlich viel Geld,
jede Secondary School mit diesem Zubehör auszustatten. Aber es wäre halt so
viel sinnvoller, nur ein Viertel davon wirklich auszuliefern und die restlichen
drei Viertel des Geldes dafür zu verwenden, eine Anleitung, Gebrauchsanweisung
oder ähnliches mitzuliefern und die Lehrer fortzubilden…
Nun ja, wie auch immer:
Ich hätte dort sicherlich Monate
verbringen können, um das alles auszuprobieren und dann alles an die Lehrer
weiterzugeben. Da ich diese Zeit nicht hatte, habe ich mich darauf beschränkt,
mit den Lehrern durchzugehen,
a.)
was
all diese Utensilien sind, die sie da bekommen haben, und wofür man sie
einsetzen kann und
b.)
welche
EINFACHEN Experimente sie in Chemie und Biologie machen können, die zum
Lehrplan passen.
Insbesondere der zweite Punkt scheint
ganz gut angekommen zu sein – und es waren auch hier die wirklich ganz
einfachen Verknüpfungen zur Alltagswelt, die besonders positiv erwähnt wurden.
(Vielleicht ein Beispiel für die
Nicht-Chemiker unter uns: Im Lehrplan steht Diffusion – Verteilung von Stoffen
in einem Raum – und Faktoren, die sie beeinflussen. Dass Diffusion
temperaturabhängig ist, hat mit Sicherheit jeder schon einmal – unbewusst –
festgestellt: hängt man einen Teebeutel in eine Tasse mit kaltem Wasser, sieht
man nach einiger Zeit, dass sich die Inhaltsstoffe nur direkt am Teebeutel in
Wasser lösen (i.d.R. am Boden der Tasse), und die Verteilung nicht sehr schnell
(spontan) geschieht. Gibt man den Teebeutel allerdings in heißes Wasser, ist
innerhalb kurzer Zeit das ganze Wasser „farbig“ (von den Teeinhaltsstoffen.)
Ich nehme ein paar Ideen mit nach
Hause, wie ich der TSS auch von Deutschland aus helfen könnte – schauen wir
mal, was daraus wird. (-> Viel zu tun!)
Mädchen und Frauen
Ein anderer Punkt, der mir, je länger
ich hier war, immer deutlicher wurde, ist, wie schlecht die Stellung von Frauen
und Mädchen ist, und wie schlecht das Werteverständnis ist.
Mädchen bekommen zwar inzwischen
häufiger eine recht gute Bildung (dürfen also länger zur Schule gehen), aber
aus dem einfachen Grund, dass das ihren „Wert“ (also materiell gesprochen…)
steigert – der Brautpreis geht dadurch deutlich in die Höhe.
Der Kommentar einer jungen Frau, dass
sie sich wie ein Schwein fühlt, hat mich sehr nachdenklich gemacht – Schweine (das
hatte ich schon einmal geschrieben) haben hier einen sehr hohen ideellen Wert
und werden gehegt und gepflegt und dann für tausende Kina verkauft.
Entsprechend scheint das mit vielen Mädchen auch zu sein.
Und dann – auf der anderen Seite –
kümmert sich aber keiner um diese Mädchen (und natürlich auch nicht um die
Jungs) – das Werteverständnis ist katastrophal und Frauen werden sehr häufig
nur als Objekte zur Befriedigung der sexuellen Lust angesehen.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass
Polizisten, Staatsangestellte, Angestellte von besseren Hotels etc. auf der
Suche nach „billigen“ Mädchen durchaus direkt in Schulen fahren und die Mädchen
mitnehmen (für ein paar Kina „Lohn)…. Die Mädchen lassen sich darauf ein, weil
ihnen das kurzzeitig etwas mehr Bargeld verschafft, das sie in der Regel dann
aber sofort für irgendetwas ausgeben. Und die „Sugar Daddies“ gibt es hier eben
auch.
Irgendwie schrecklich, das alles.
Die Sexualisierung der Gesellschaft
hier empfinde ich auch als erschreckend – das beginnt bei Kleinigkeiten –
Gesprächen, merkwürdigen Umarmungen,… - und geht hin dazu, dass viele Leute
hier irgendwelches pornographisches Material besitzen (aus dem Internet
herunterladen, per Handy teilen,…). Der Sprung von der „Steinzeit“ in die
Neuzeit ist hier eindeutig zu schnell gewesen.
All dieser Input scheint das Bild zu
bestätigen, dass Frauen lediglich Mittel zur Befriedigung der sexuellen Lust
sind und so bekomme ich nach und nach einen Einblick in die Realität hier:
sexuelle Belästigungen sind an der Tagesordnung und Vergewaltigungen durchaus
üblich (merke: ich bekomme sicherlich nur einen klitzekleinen Teil davon
berichtet…) – eine Schwester, die letztlich aus einer der Gemeinden hier
zurückkam berichtete von einer traurigen Taufe: ein Neugeborenes, schwerst
missgebildet – nach Vergewaltigung eines Mädchens durch ihren eigenen Bruder.
Ganz langsam durchbrechen einige
Mädchen und Frauen die Mauer des Schweigens – problematisch ist halt, dass das
alles oft am „Wantok“-System scheitert – es sind die eigenen Brüder, Väter,
Onkels, Cousins,…
à Sehr viel zu tun!
24.06.15
Und heute ist schon mein LETZTER Tag
hier in Mendi. Ich kann es kaum fassen.
Die letzten Tage waren voll von
Abschieden – Abschiedsessen, Abschiedsgebete, Abschiedsmesse,… - ich wurde
reich beschenkt (und das noch viel mehr im nicht materiellen Sinn)!
Ich werde in den nächsten Tagen, wenn
ich wieder etwas mehr Zeit habe, noch in Ruhe mehr darüber schreiben, aber
heute möchte ich schauen, dass ich dieses noch poste, bevor ich mich aufmache
(deshalb auch keine Bilder diesmal – die werden aber nachgeliefert,
versprochen!)
Mein Reiseplan:
25. bis 30. Juni: Lae
30. Juni bis 9. Juli: Rabaul
9. bis 13. Juli: Port Moresby
13. bis 17. Juli: Brisbane
17. Juli bis 4. August: Sydney
und dann mache ich mich über Brisbane
und Singapur wieder auf den Weg nach Frankfurt, wo ich am 6. August ankommen
sollte.
Morgen geht es also los; ich kann es
wirklich kaum fassen, dass meine Zeit in Mendi schon zu Ende ist. Ich bin sehr
froh, dass ich noch etwas reisen darf, sonst wäre der Abschied von hier noch
schwerer.
Ich durfte hier so viel Gutes erfahren
und wurde durch die Zeit so bereichert – ein Teil meines Herzens wird
hierbleiben, wie ich wohl auch in den Herzen vieler Leute hier zurückbleibe.
Am Sonntag hat Bischof Don am Schluss
verkündet, dass dies mein letzter Sonntag hier war, er hat mir gedankt und mit
folgenden Worten geschlossen:
„Yu mas kam bek sampela taim!“ (Du
musst einmal/ irgendwann zurückkommen)
:-) …ich glaube, darauf sollte ich
besser hören!
Einen letzten ganz herzlichen Gruß aus
dem Hochland von PNG – aus „beautiful Mendi“!
...und weiter geht der Weg... |